„Das Team ist mir ehrlich gesagt einfach viel zu deutsch. Selbst wenn die mich nehmen, weiß ich nicht, ob ich in einer so einseitigen Organisation arbeiten will.“
gibt mir eine Freundin Einblick in Ihre Überlegungen. Sie hatte kürzlich an einem Bewerbungsverfahren für eine Stelle in einem Berliner Start Up teilgenommen. Das Unternehmen hatte schon beim Interview viel Interesse für sie bekundet. „Das habe ich doch schon mal bei einem Praktikum während dem Studium erlebt. Kaum Frauen und erst recht nicht mit Migrationshintergrund im Team, das will ich mir nicht nochmal geben.“ So ihre steile Bewertung zum Interview.
Vertreterin der Generation Y, an deutschen Top-Unis ausgebildet, mit einigen eigenen Erfahrungen entlang den Diskriminierungsdimensionen Migrationshintergrund und Geschlecht ausgestattet. Als Ausländer*innen wissen wir, wie 1. schwierig es sein kann, einen Job am deutschen Fachkräftemarkt zu bekommen und vor allem 2. wie kräfteraubend der Alltag in einem Unternehmen oder einer Organisation sein kann, die keine bis kaum Sensibilisierung für Heterogenität aufzeigt. Oft ist eine fehlende inklusive Kultur auf mangelnde Diversität (in der Belegschaft und Chefetage) zurückzuführen: Immer Nachwuchstalente aus der gleichen Schule einstellen, aus der gleichen Region und in vielen Branchen dominiert auch ein bestimmtes Geschlecht. Hat mal funktioniert. Aber um sich in einer zunehmend diversen Gesellschaft und einem globalen Marktplatz zu behaupten reicht das nicht. Das zeigen diverse Studien u.a. Delivering through Diversity von McKinsey 1) seit einigen Jahren: Diversität geht mit einer verbesserten Wirtschaftlichkeit und organisatorischen Resilienz einher.
Wo noch für Generationen jenseits der Y eher die Devise der Similarity Attraction galt – die Bevorzugung von Menschen mit ähnlichem Hintergrund – könnte bei der durchaus international und interkulturell aufgewachsenen Generation Y (und aufwärts), die Sozialisation in der ultimativen Globalisierungserfahrung zu einer disruptiven Macht für Diversität beim deutschen Arbeitgeber werden. Laut einer Egon Zehnder-Studie 2)von 2019 ist Diversität aktuell das wichtigste Kriterium für die Jobwahl von Millenials. Und es ist absolut einleuchtend. Wer mindestens Teile des Studiums im Ausland verbracht und einen international verteilten Freundeskreis hat, vielleicht noch spätere Auslandsaufenthalte im Laufe der Karriere plant – wünscht sich eben auch interkulturelle Impulse und Kompetenzen im Arbeitsumfeld, vom Management sowie von den Teamkollegen. Die Generation Y ist in einer europäischen Union ohne Grenzen groß geworden und mit einem hohen Grad für interkulturelle Sensibilität sozialisiert, die in jener Welt nötig ist. Seit wir zur Schule gehen sind Frauen in Führungspositionen in den meisten Ländern zur Normalität geworden, und von den älteren Kollegen im Team können wir schließlich wichtige Erfahrungswerte erhalten.
Wer diese Generation der Digital Natives und internationalen Networker zugunsten seines Unternehmens gewinnen will, sollte im Zweifelsfall die Diversität der Organisation auf den Prüfstand stellen. Nur durch ein Hinterfragen und Weiterentwickeln nicht nur der Unternehmens- sondern auch der Personalstruktur kann auch die Unternehmenskultur und Innovationskraft weiterentwickelt werden. Die langfristige Bindung der internationalen und diversen Fachkräfte erfolgt nämlich nicht nur über eine Willkommenskultur oder eine diverse Repräsentationsstruktur, sondern über eine inklusive, partizipative Kultur in der sich alle unabhängig von ihrem Hintergrund, in ihrer ganz eigenen Individualität wohlfühlen und gerne arbeiten.
Quellen:
Die Autorin Hilma Immonen repräsentiert selbst die internationale Kohorte der Generation Y. Sie ist in Finnland und Deutschland aufgewachsen, und hat auch in den USA und den Niederlanden gelebt.
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