Vielmehr scheitern die neu formierten Leadership Teams häufig an sich selbst und dem mangelnden Invest in ihr Miteinander – von Anfang an. Zu wichtig erscheinen die neue Marke, der Marktauftritt und eine gut gefüllte Deal-Pipeline. Das Leadership Team beschäftigt sich lieber mit dem Aussuchen der repräsentativen Büroflächen, ergonomischer Stühle und imponierender Konferenzraum-Lampen – als mit sich selbst.
Die Anfangseuphorie, die Harvard-Professor Tuckman in seinem berühmten Modell der Teamentwicklung als „Forming“ Phase beschreibt, gleicht der Flirtphase am Anfang einer Liebesbeziehung. Da spricht man ja auch nicht darüber, ob der Partner die Zahnpasta-Tube schließt und ein gleichberechtigtes Verständnis von der Müllentsorgung hat. Vielmehr umtanzt man – häufig unbewusst – alles, was dieses explosive Beziehungs-Material enthalten könnte, um keinen Schatten auf die vielversprechende Beziehung zu werfen.
So auch die sich neuformierenden Führungs-Teams. Nun könnte man anführen, dass sich viele der Geschäftspartner seit Jahrzehnten aus Netzwerk- und Arbeitsbeziehungen kennen, bevor sie entscheiden, gemeinsam Neues zu wagen. Aber sitzt man dann alleine, zu zweit oder dritt in einem Boot, wird diese Beziehung auf einen ganz anderen Prüfstand gestellt. Und da tut es auch nicht das Kopieren und Umformulieren des Wertekatalogs der alten Arbeitgeber, denn dabei fehlt der erforderliche Diskurs über das, was dem Führungsteam und ggf. auch zukünftigen Mitarbeitern im Arbeitsalltag wirklich als Leitplanken dient.
Zu groß ist also die Versuchung, direkt in die operativen Themen zu tauchen und die Regeln der Zusammenarbeit, das gemeinsame Führungsverständnis, die gemeinsame oder einsame Entscheidungsfindung im Ungefähren zu lassen. Zu groß sind die Bedenken, hier läge eventuell unwägbares Sprengmaterial, das – einmal an die Gesprächsoberfläche gebracht – seine explosive Wirkung entfaltet.
Dabei zeigt unsere Coaching-Arbeit mit neu-formierten Führungsteams, dass dies ein unglaublich bereichernder und festigender Prozess sein kann, der die jungen Führungsteams in ihrer Diskussionskultur und Problemlösungskompetenz und in ihrer organisatorischen und persönlichen Resilienz immens stärkt. Vorausgesetzt, das Team startet früh genug damit, hat Lust auf die gemeinsame Entwicklung und sorgt dafür, dass der Prozess gut geführt und moderiert wird. Zu diesem Prozess gehört unter anderem, dass die Perspektiven-Vielfalt bewusst gefördert wird, jeder eine gleichberechtigte Stimme erhält und Bedenken, Fragen und neue Ideen nicht sofort bewertet oder abgetan werden, sondern frei geäußert werden können und das Führungs-Team übt, konstruktiv mit konträren Standpunkten und Ideen umzugehen. Basierend auf diesen Spielregeln kann dann die konstruktive Erarbeitung von Regeln zur Zusammenarbeit und gemeinsamen Entscheidungsfindung erfolgen, ebenso wie das Aufstellen eines gemeinsamen Wertegerüstes und eines einheitlichen Führungs-verständnisses. Dabei bleiben erfolgreiche Führungsmannschaften nicht im Abstrakten sondern erarbeiten, worin sich die strategischen Eckpfeiler konkret in beobachtbaren Verhaltensweisen und Anlässen im Alltag manifestieren.
Ist die neue Führungsmannschaft so gut geerdet – Tuckman würde in seinem Modell von der Norming Phase sprechen – kann aus dem Format eine nachhaltige erfolgreiche Leadership Journey werden, die auch in stürmischen Zeiten hält und daran wächst. Wichtig bleibt dabei, dass das Leadership Team sich in regelmäßigen Abständen Zeit für sich selber und seine „Fellpflege“ nimmt. So lädt das Team den eigenen Ressourcenhaushalt auf und geht gut gerüstet in die Herausforderungen des operativen und dynamischen Alltags, hat einen Schulterschluss zu den wichtigen Themen und wird von Mitarbeitern und Kunden als die starke Einheit wahrgenommen, die sie gerne sein wollen – nach Innen und nach Außen.
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