Vom Glück zu Lernen

„Ich kann es einfach nicht und ich will es auch gar nicht, schreiben ist einfach doof, warum muss ich das überhaupt lernen, wenn es so schwer ist“ der Bleistift fliegt quer durch das Esszimmer über den großen runden Tisch hinweg in eine Ecke und Liv stürzt protestierend ihre kleinen Ellbogen auf die dunkle Holzplatte.

Ich versuche mich zu erinnern – was macht das Lernen so mühsam? Warum tun wir uns insbesondere in den Anfängen zu schwer?

Zusammen schauen wir uns einen Film an „Wie unser Gehirn lernt“ dort wird gezeigt, was passiert, wenn wir lernen: die Synapsen in unserem Hirn schaffen neue bisher nicht vorhandene Verbindungen. Das braucht sehr viel Energie. Mit der Zeit werden die Verbindungen und Impulse zwischen den neuen Synapsen-Freunden stärker und belastbarer und der Vorgang benötigt immer weniger Energie und Aufmerksamkeit, eben dann, wenn die Dinge auf einmal selbstverständlicher werden – wie Laufen, Fahrrad fahren, schreiben und lesen.

Oder eben einen neuen Job, ein herausforderndes Projekt, eine veränderte Umgebung. Unser Hirn benötigt sehr viel Energie und spart, wo es nur kann, indem es an Gewohntem festhält nach alten Mustern sucht. Daher auch unsere systemimmanente „resistance to change“ – Wiederstand gegen Veränderungen und Neues. Bevor unser Hien sich auf neue Denkstrukturen einlässt, verwendet es gerne Energie darauf zu erklären, warum ebendiese Veränderungen nicht sein sollen oder dürfen, kurz warum „es nicht geht“. Wenn wir also einen eingebauten „Lern- und Veränderungswiederstand“ haben, was muss passieren, damit wir uns dennoch darauf einlassen bzw. sogar Spaß daran finden?

Es geht darum aus der Angst- und Druck-besetzten Haltung herausfinden indem wir uns bewusst werden, dass wir eine Wahl haben, in welcher Haltung wir den Herausforderungen und Veränderungen begegnen – klein, ohnmächtig, ängstlich und trotzig – oder mutig, neugierig und mit Freude an der Erfahrung und Lernkurve, egal wie das Ergebnis aussieht.

Im Gespräch mit Liv überlegen wir, wie das genau funktionieren könnten. Liv denkt laut nach „Babys schämen sich ja auch noch nicht, dass sie nicht laufen können und wir lachen sie auch nicht aus, wenn sie es üben“ Wann also fängt es an, dass wir Angst vor neuen Herausforderungen haben und dass wir sie nicht meistern werden bzw. vor den Konsequenzen eines ersten „Hinfallens“? Ob wir als Führungskräfte Change managen oder als Erziehungsberechtigte Kinder an unsere Welt heranführen – in beiden Fällen brauchen wir ein fröhliches, angstfreies, zugewandtes Umfeld, eines, das sich sicher anfühlt und in dem Scheitern und Lernen erlaubt und erwünscht ist. Eines, wo es keine Verlierer gibt, sondern nur Win-Win, weil wir uns der Veränderung stellen und ihrer Mitgestaltung. Weil wir wissen, dass Lernen aus vielen kleinen Schritten besteht und die Ermutigung im Weiterkommen besteht. Oder wie Liv sagt „eigentlich reicht es doch, wenn man jeden Tag ein bisschen besser wird, oder?“

Vielleicht ein guter Vorsatz für die neue Dekade, in die wir gerade starten.